Design Thinking Prozess: 6 Schritte zur Innovation

Design Thinking ist eine Innovationsmethode, die sich gut eignet, um komplexe Probleme zu lösen. Das Besondere an Design Thinking ist, dass die tatsächlichen Bedürfnisse der Zielgruppe im Vordergrund stehen. Was brauchen die Menschen, deren Problem wir lösen wollen?

Design Thinking Prozess in sechs Schritten

In diesem Artikel erkläre ich die sechs Schritte des Design Thinking Prozesses. Wenn ihr das Wort Design Thinking schon einmal gehört habt, aber nicht genau wisst, was sich dahinter verbirgt, könnt ihr euch hier einen Überblick verschaffen. Der Artikel eignet sich auch zur Vorbereitung für einen Design Thinking Workshop.

Disclaimer: Design Thinking war in den letzen Jahren ein geläufiges Buzzword. In meinen Augen ist es kein Allheilsmittel, mit dem sich auf Knopfdruck perfekte Ideen entwickeln lassen. Gleichzeitig bietet die Methode viel Potential, um sich Herausforderungen auf kreativer Art zu nähern. Viel Spaß beim Lesen!

Voraussetzungen für einen Design Thinking Prozess

Interdisziplinäres Design Thinking Team

Für einen klassischen Design Thinking Prozess brauchen wir ein Team und eine Herausforderung, an der wir arbeiten wollen.

Das Team besteht im Idealfall aus 5-6 Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund, d.h. unterschiedlicher Erfahrung, Ausbildung, Herkunft usw. Interdisziplinäre Teams helfen dabei, über den Tellerrand zu sehen und die Herausforderung von allen Seiten zu beleuchten.

Die Herausforderung - auch Design Thinking Challenge genannt - ist das Problem, das gelöst werden will. Die Challenge wird dabei als Frage formuliert, auf die wir im Laufe des Design Thinking Prozesses Antworten finden.

Beispiel für einen Design Thinking Prozess

Eine Universität möchte herausfinden, wie ihr Angebot für Studierende auch künftig relevant bleibt. Eine Gruppe von 6 Mitarbeitenden der Universität, bestehend aus Professor:innen, Mitarbeiter:innen und Studierenden widmet sich der Herausforderung mit einem Design Thinking Prozess.

Eine mögliche Design Thinking Challenge könnte sein: »Welche Möglichkeiten haben wir, mit unserem Angebot für Studierende relevant zu bleiben?«

Der Problem- und Lösungsraum im Design Thinking

Bevor wir in die 6 Schritte eintauchen möchte ich auf eine Grundstruktur des Design Thinking Prozesses verweisen: die Unterteilung des Prozesses in einen “Problemraum” (Schritt 1-3) und “Lösungsraum” (Schritt 4-6).

Was macht diese Aufteilung so besonders? Ohne klare Anleitung von außen nehmen wir uns oft nicht die Zeit ein Problem, und die Menschen, die von diesem Problem betroffen sind wirklich kennenzulernen. Im Design Thinking aber geht es ausdrücklich darum, sich in den ersten drei Schritten mit dem Problem und den betroffenen Menschen zu befassen. Durch diese Recherche-Phase werden nachhaltige Erkenntnisse gefördert und Vorurteile entkräftet. Diese strikte Teilung des Design Thinking Prozesses ist in meinen Augen ein Grund, warum Design Thinking so erfolgreich ist.

Jetzt zu den 6 Schritten im Design Thinking Prozess. Überlege gerne beim Lesen, wie diese Schritte bei einer eigenen Challenge von dir aussehen könnten.

1. Verstehen: Ein gemeinsames Verständnis der Herausforderung schaffen

Der Design Thinking Prozess startet mit dem gemeinsamen Verstehen. Das Team nimmt die Design Thinking Challenge - also das Problem, das gelöst werden soll - genau unter die Lupe.

Schritt 1: Verstehen mit der Stakeholder Map

Fragen, die beim Erarbeiten eines gemeinsamen Verständnisses helfen:

  • Verstehen alle dasselbe unter der Challenge? Oft denken wir, dass wir vom Selben reden, haben aber ein grundsätzlich anderes Verständnis der einzelnen Worte. Hierfür bietet sich die “Semantische Analyse” an, bei der die Challenge Wort für Wort auseinandergenommen, betrachtet und analysiert wird. Dafür kann man die Challenge z.B. in groß auf ein DINA3-Blatt schreiben, und dann die Worte definieren.

  • Wer ist betroffen, wer involviert, wer könnte bei der Lösung helfen oder im Weg stehen? Wir wollen uns einen Überblick über das System und damit einen Überblick über alle betroffenen Zielgruppen verschaffen. Hier hilft eine “Stakeholder Map”, in der wir die Stakeholder - also alle relevanten Personen(gruppen) - aufzeichnen, und dann die Verbindungen untereinander visualisieren.

  • Welche Expert:innen können beim Verständnis noch unterstützen? Manchmal hilft es, Expertise von außen einzuholen. Das ist vor allem dann nützlich, wenn man selbst kein Expertenwissen zu einzelnen Punkten der Challenge hat.

Achtung: wie eingangs erwähnt geht es hier ausdrücklich noch nicht darum, Lösungen zu entwickeln. Dass trotzdem Ideen entstehen, ist ganz normal. Diese könne einfach aufgeschrieben und “geparkt” werden, damit sich das Design Thinking Team dann wieder voll und ganz dem Prozess widmen kann.

Durch die Analyse der Challenge und das Recherchieren der Zusammenhänge wird das Problem also umrahmt. Im zweiten Schritt beschäftigen wir uns mit den Menschen, die von der Herausforderung tatsächlich betroffen sind: den Nutzer:innen.

2. Empathie: Die Welt aus Nutzersicht sehen

Schritt 2: Interviews mit der Zielgruppe

Im zweiten Schritt des Design Thinking Prozesses wird die Perspektive der Nutzer:innen eingenommen. Was brauchen sie, was wollen sie, was treibt sie an? Das Design Thinking Team will die Bedürfnisse der Zielgruppe tiefgehend verstehen um so eine solide Basis für die spätere Ideen-Entwicklung zu schaffen.

In dieser Phase werden typischerweise Interviews mit der Zielgruppe geführt, um sich wirklich in ihre Welt einzufühlen.

In dem fiktiven Projekt der Universität mit der Frage »Welche Möglichkeiten haben wir, mit unserem Angebot für Studierende relevant zu bleiben?« können z.B. die Menschen interviewt werden, die in der semantischen Analyse unter “wir” definiert worden sind. Das können u.a. Studierende, Mitarbeitende oder Lehrpersonen sein.

3. Synthese: Die Erkenntnisse zusammenfassen

Schritt 3: Synthese der Interview-Ergebnisse

In der Synthesephase werden die aus den Interviews gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst. Hier vergleichen wir, welche Gemeinsamkeiten und welche Gegensätze es gibt, und überlegen welche Schlüsse sich daraus für den Prozess ziehen lassen.

Um die Komplexität der Interview-Erkenntnisse zu reduzieren erarbeiten wir hier oft vereinfachende Point-of-View (POV) Statements: [Person X] hat [Bedürfnis Y], weil wir die [Erkenntnis Z] gemacht haben.

In unserem Beispiel könnte der Satz so lauten: Max (Student, 23) wünscht sich aktuelle Themen im Studienplan, weil ihm wichtig ist, dass ihn das Studium auf das echte Leben vorbereitet.

4. Ideen: Kreativität freisetzen und einfach mal rumspinnen

Schritt 4: Ideen-Entwicklung durch Brainstorming

Mit dem vierten Schritt wird der Lösungsraum betreten: jetzt geht es endlich los mit der Ideen-Entwicklung. In diesem Schritt eignen sich verschiedene Kreativitätstechniken, die bekannteste Methode ist das Brainstorming.

Folgende Brainstorming-Prinzipien helfen dabei, das meiste aus der Session rauszuholen:

  • Einfach machen: Stellt Kritik zurück, schreibt auf, was euch in den Sinn kommt - bewertet wird später.

  • Masse statt Klasse: Die ersten 100 Ideen sind oft naheliegend und können einem “dumm” erscheinen. Gleichzeitig: wenn wir sie aus dem System bekommen machen wir Platz für die geniale 101. Idee.

  • Spielt als Team: Baut auf den Ideen anderer auf und inspiriert euch gegenseitig.

5. Prototyping: Ideen realisieren und greifbar machen

Schritt 5: typischer Design Thinking Prototyping Prozess

Prototyping ermöglicht es, Ideen greifbar zu machen. Auch das ist ein großer Vorteil von Design Thinking: Mögliche Ideen werden so schnell wie möglich erlebbar gemacht, um sie dann im nächsten Schritt mit der Zielgruppe zu testen. So erfahrt ihr schnell, ob es sich lohnt, eine Idee weiterzuverfolgen oder nicht. Und dafür braucht ihr einen Prototypen, also eine Art Testobjekt, mit dem ihr eure Idee validieren könnt.

Beim Prototyping zählt die 80/20-Regel: In 20% der Zeit entsteht 80% des Prototyps. Auch wenn es schwerfällt: Jetzt ist der Zeitpunkt, zum nächsten Schritt überzugehen. Wenn ein Prototyp hübsch geworden ist, wisst ihr, dass ihr zu viel Zeit damit verbracht habt. Die Idee eines Prototyps ist es, die kritische Funktion darzustellen - was macht eure Idee im Kern aus? Prototypen können von einfachen Skizzen bis hin zu physischen Modellen reichen.

6. Testen: Ist die Lösung alltagstauglich?

Schritt 6: Prototyp testen

Im letzten Schritt testet ihr eure Prototypen in der Praxis und sammelt Feedback von der Zielgruppe. Das Testen ermöglicht es euch, Schwachstellen eurer Idee zu identifizieren und zu erkennen, woran ihr als nächstes arbeiten könnt. Fragen, die ihr dabei im Hinterkopf behalten solltet sind:

Löst eure Idee tatsächlich ein Problem der Zielgruppe?
Erfüllt die Idee ein bis dato unerfülltes Bedürfnis der Zielgruppe?

Es kann auch passieren, dass ihr während des Testens feststellt, dass ihr das Problem noch gar nicht richtig verstanden habt, oder dass eine andere Idee viel besser wäre. Es gibt den geflügelten Spruch “kill your darlings” im Design Thinking.

Das Loslassen einer lieb gewonnen Idee (vor allem, wenn es die eigene ist) kann wehtun, ist aber für den Erfolg eines Design Thinking Prozesses essentiell. Auch der iterative Charakter eines Design Thinking Prozesses (also das hin- und herspringen zwischen Design Thinking Schritten) ist etwas ganz normales.

Für Workshop-Teilnehmende: was ist deine Challenge?

Wenn du diesen Artikel gelesen hast, weil du bald an einem Design Thinking Workshop mit mir teilnimmst, überlege dir Folgendes: An welcher Challenge willst du arbeiten?

In meinen Workshops versuche ich mein Bestes, mit euren aktuellen Anliegen zu arbeiten. Wenn ihr schon eine Design Thinking Challenge parat habt stehen die Chancen gut, dass wir sie vor Ort auch ansehen können.

Das wird schön, ich freue mich und bis dahin!

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Weiterbildungen, die mich tatsächlich weitergebracht haben

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Das Streben nach “Glück”